Weidel im BILD-Interview: Die AfD-Chefin gesteht einen großen Fehler

Sie ist die erste Kanzlerkandidatin der Rechtsaußen-Partei AfD:

Alice Weidel, 46 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Ihre Familie lebt in der Schweiz.

BILD traf Weidel zum Interview.

BILD: Frau Weidel, Sie wollen Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland werden.

Falls das klappt: Ziehen Sie mit Ihrer Familie, die in der Schweiz lebt, nach Deutschland?

Alice Weidel: „Ich möchte diesem Land dienen. Und meine wunderbare Frau ist Schweizerin und bleibt in der Schweiz. Bislang. Und dementsprechend würde ich mir wünschen, dass man damit deutlich lockerer umgeht.“

Handschlag verweigert: Alice Weidel mit BILD-Reporter Peter Tiede bei ihrer Ankunft vor dem Axel Springer-Neubau
Handschlag verweigert: Alice Weidel mit BILD-Reporter Peter Tiede bei ihrer Ankunft vor dem Axel Springer-Neubau

Foto: Christian Spreitz

Wir waren an Ihrem deutschen Wohnsitz in Überlingen und haben festgestellt: Ihre Nachbarn sehen Sie dort so gut wie nie. Wohnen Sie überhaupt dort?

Weidel: „Ja, natürlich wohne ich da auch. Natürlich. Das ist mein gemeldeter Wohnsitz. Aber wissen Sie, ich kann mich leider in Deutschland nicht mehr frei bewegen, aufgrund des ganzen Hasses und Hetze gegen meine Person und auch gegen die Partei. Ich habe eine sehr hohe Gefährdungsstufe und ich kann noch nicht mal einkaufen gehen.“

Sie haben auch kein Wahlkreisbüro …

Weidel: „Wissen Sie, warum? Wir haben jahrelang gesucht, jahrelang gesucht. Niemand vermietet an die AfD aus Angst vor Anschlägen. Wir kriegen mein Wahlkreisbüro gar nicht versichert.“

„Blau-Schwarz ist Wählerwille“

Ihre Partei liegt aktuell um 20 Prozent und höher. Aber der Anteil derjenigen, die wollen, dass die AfD in der Politik beteiligt wird, ist höher. Die Union schließt das aus. Würden Sie Friedrich Merz zum Kanzler einer Minderheitsregierung wählen und Gesetze unterstützen?

Weidel: „Wir haben in den Umfragen zwei große Balken – den schwarzen und den blauen. Es ist der Wählerwille, dass wir eine blau-schwarze Koalition haben. Da hätten wir auch stabile Mehrheiten und könnten Politik endlich für unser Land machen und nicht dagegen.

Da Friedrich Merz eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat, kann er ja nur mit den Grünen und mit der SPD. Das heißt: Was er gerade tut, ist nichts anderes als Wählertäuschung, ja gar Wählerbetrug. (…) Die Wähler müssen einfach wissen, dass wenn sie Friedrich Merz wählen, dass sie Grün bekommen, einen Habeck als Wirtschaftsminister – das gehört einfach mit dazu.“

AfD-Chefin im BILD Wahllokal: Weidel spricht über eigene Angst

Teaser-Bild
Quelle: BILD

Weidel: Versuchter Höcke-Rauswurf war ein Fehler

Sie wollten 2017 den Partei-Faschisten Björn Höcke aus der Partei werfen, weil er Ihnen zu rechtsradikal war. Inzwischen ist Ihre ganze Partei in weiten Teilen rechtsextrem – und Sie und Björn Höcke haben sich etwa beim Wahlkampf im Sommer in Thüringen wirklich sehr, sehr herzlich in den Armen gelegen. Sind Sie mehr zu Björn Höcke rübergewandert?

Weidel: „Also Björn Höcke und ich, wir verstehen uns sehr gut und wir haben uns über die Jahre kennengelernt. Ich glaube, der Parteiausschluss war damals völlig überzogen. Fehler kann jeder machen.“

Weidel gemeinsam mit Björn Höcke (52) im August 2024 in Erfurt
Weidel gemeinsam mit Björn Höcke (52) bei einem Wahlkampfauftritt im August 2024 in Erfurt

Foto: Martin Schutt/dpa

Das war ein Fehler, dass Sie ihn damals rauswerfen wollten?

Weidel: „Ja, natürlich. Ich habe ihn kennengelernt und der Mann ist bodenständig. Er ist ein ehemaliger Lehrer, extrem breit gebildet. Das gefällt mir an Leuten, das ist sehr selten geworden bei den Politikern, dass sie auch breitengebildet sind oder überhaupt eine Ausbildung haben. Und dementsprechend schätze ich ihn. Und er ist in Thüringen unglaublich beliebt, weil er eben so ist. Er ist eigentlich ein sehr freiheitsdenkender Mensch.“

„Wir haben keine unabhängigen Staatsanwaltschaften“

Man darf ihn Faschist nennen …

Weidel: „Also Entschuldigung, das, was Gerichte irgendwie von sich geben, dem kann ich überhaupt gar nichts mehr beimessen. Man darf mich ja auch beschimpfen …“

Sie nennen sich Patriotin und bestehen auf dem Rechtsstaat – und Sie sagen jetzt: Auf das, was „Gerichte von sich geben“, können Sie nichts geben?

Weidel: „Ja, die Staatsanwaltschaften, die handeln …“

Wir reden von Gerichten und wir sind bei Herrn Höcke, den man Faschist nennen darf …

Weidel: „Wir haben auch keine unabhängigen Staatsanwaltschaften. Das sehen wir, wenn wir dann den Habeck als Schwachkopf bezeichnen, dass dann gleich die Staatsanwaltschaft einen Rentner mit einer behinderten Tochter durchsucht. Also was hier in diesem Land vor sich geht, das haut dem Fass den Boden aus.“

Ziemlich beste Freunde: Weidel und Höcke umarmen sich am Rande einer Veranstaltung während des Thüringen-Wahlkampfes letztes Jahr
Ziemlich beste Freunde: Weidel und Höcke umarmen sich am Rande einer Veranstaltung während des Thüringen-Wahlkampfes letztes Jahr

Foto: Christian Knieps

Halten Sie Björn Höcke für geeignet für ein Ministeramt?

Weidel: „Ja.“

AfD will gute Beziehungen zu Russland

In Ihrem Wahlprogramm heißt es, dass Sie ungestörten Handel mit Russland treiben, sofort die Sanktionen aufheben und auch die Nord-Stream-Leitungen instand setzen wollen. Das heißt: Sie möchten einem Regime Milliarden überweisen, das immer wieder zu Krieg gegen Deutschland aufruft. Kostprobe eines russischen Propagandisten: „Sollen wir den Staub der teutonischen Gräber mit dem mächtigen Marsch des sowjetischen Stiefels wieder schütteln?“ Warum möchten Sie diesen Leuten deutsches Geld schicken?

Weidel: „Wir wollen sehr gute Beziehungen haben zu unseren europäischen Nachbarn. (…) Wir wollen aber auch ein sehr gutes Verhältnis haben zu den Großmächten. Dazu gehört Russland. (…) Bis vor zwei Jahren haben wir günstiges Erdgas aus Russland bezogen über ein Konsortium Nord Stream. (…) Was wir wollen, ist, eine Sanktionspolitik zu beenden, die vor allen Dingen eins ist: schädigend für unser Land. Wir haben die höchsten Energiepreise weltweit. Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig.“

Weidel im hitzigen Gespräch mit BILD am SONNTAG
Hitzige Diskussion über die Sanktionspolitik gegenüber Russland

Foto: Christian Spreitz

Warum erkennen Sie als deutsche Patriotin denn nicht an, dass Russland Deutschland immer wieder mit dem Krieg bedroht?

Weidel: „Wir wollen gute Beziehungen haben. Was hat die deutsche Bundesregierung die letzten fast drei Jahre gegen Russland gemacht? Wir haben an der Eskalationsspirale gedreht. Es wurde verbal, finanziell und auch mit Waffen gegen Russland aufmunitioniert. Seit dem Zweiten Weltkrieg rollen deutsche Panzer wieder gegen Russland. Absolut geschichtsvergessen, wenn Sie mich fragen.“

Also kein kritisches Wort dazu, dass Russland uns mit Krieg bedroht. Ist notiert.

Weidel: „Aber wir haben es umgekehrt doch auch die ganze Zeit gemacht. Friedrich Merz hat doch mit Taurus-Lieferung gedroht. Er hat damit Werbung gemacht.“

Aber von Ihnen kein kritisches Wort zu Russland? Ist notiert.

Weidel: „Ja, das hat Donald Trump ja auch nicht. Man muss sich doch an den Verhandlungstisch setzen. Man muss doch miteinander reden. Nichts anderes haben wir als AfD gesagt, dass wir in Friedensverhandlungen eintreten müssen. Und das halte ich allein für eine seriöse Politik. Und vor allen Dingen müssen wir eine uns selbst schädigende Sanktionspolitik unbedingt beenden.“

Aber nach wie vor kein Wort zu den russischen Kriegsdrohungen.

Weidel: „Drei Jahre lang dreht sich die deutsche Kriegsrhetorik gegen Russland. Was ist denn hier zu erwarten?“

Bundeswehr muss wehrfähig werden

Auf Seite 88 Ihres Wahlprogramms stellen Sie fest, dass die deutschen Streitkräfte nicht verteidigungsfähig sind. Und Sie möchten die Wehrpflicht wieder einsetzen. Sie sprechen davon, die Rüstungsindustrie wieder aufzubauen. Sie sprechen ausdrücklich über den Verteidigungsfall. Welche Länder sehen Sie denn aktuell als Bedrohung für Deutschland?

Weidel: „Das ist nicht die richtige Fragestellung. Die richtige Fragestellung ist, warum ein Land grundsätzlich verteidigungsfähig sein muss. Und ein Land muss verteidigungsfähig sein mit einem ertüchtigten Militär, um zum Beispiel im Bündnisfall der Nato eintreten zu können und unseren auf Deutschland bezogenen Bündnisverpflichtungen nachkommen zu können.“

Sie sagen ja nicht, von wem die Bedrohung ausgeht. Sie wollen kein Wort dazu sagen, welches Land Deutschland theoretisch bedroht.

Weidel: „Die Nato ist doch ein Verteidigungsbündnis, das sagt doch alles.“

„Remigration bedeutet die Umsetzung von Recht und Gesetz“

Sie benutzen den Begriff Remigration. Der Begriff wird bei Rechtsextremen und bei Identitären dafür benutzt, auch Deutsche mit Migrationshintergrund auszuweisen. Können Sie hier die Garantie geben für Deutsche mit Migrationshintergrund, dass Sie den Begriff nicht so meinen? Dass Sie die Menschen nicht ausweisen würden?

Weidel: „Der Begriff Remigration bedeutet die Umsetzung von Recht und Gesetz. Seit 2015, seit zehn Jahren, wird hier vonseiten der Regierung gegen Recht und Gesetz verstoßen. Menschen können illegal in unser Land kommen. Sie werden nicht abgeschoben, obwohl sie sich illegal hier aufhalten und/oder Straftaten begehen. Und wir sagen ganz klar: Wir müssen die Grenzen dichtmachen. Wir müssen unsere Grenzen kontrollieren und Illegale zurückweisen. Wir müssen Straftäter ausweisen. Sofort. Die dürfen gar nicht hier sein. Und illegal Aufhältige auch. Nichts anderes bedeutet Remigration.“

Weidel setzt sich für härtere Grenzkontrollen und die strikte Ausweisung von straffälligen Asylbewerbern ein
Weidel setzt sich für härtere Grenzkontrollen und die strikte Ausweisung von straffälligen Asylbewerbern ein

Foto: Christian Spreitz

Also Deutsche mit Migrationshintergrund können alle hier bleiben?

Weidel: „Von denen ist doch gar nicht die Rede. (…) Menschen, die hier arbeiten gehen, die hier Steuern zahlen, die sind doch herzlich willkommen. Denen geben wir auch gerne die Staatsangehörigkeit.“

Identitäre verwenden den Begriff anders. Was würden Sie den Rechtsextremen und den Identitären sagen, die fordern, man müsste auch Millionen Deutsche mit Migrationshintergrund – solche, die angeblich nicht gut integriert sein – abschieben?

Weidel: „Das interessiert mich überhaupt nicht, was andere sagen. Es gilt, was ich Ihnen sage.“

Also Sie lehnen das ganz klar ab.

Weidel: „Nein! Also, es interessiert mich nicht, was andere sagen. Ich habe das hier definiert. Und fertig.“

Mehr Rente und Militär, weniger Steuern und Umweltschutz

Sie wollen mehr Geld für die Bundeswehr, mehr Geld für Rente. Sie wollen gleichzeitig die Einkommens-, die Unternehmens-, die Umsatzs- und die Energiesteuer senken. Abschaffen wollen Sie die Grund- und die Erwerbssteuer, die Grunderwerbsteuer für Immobilien-Eigennutzer. Bleibt die Frage: Wie fühlen Sie das Loch?

Weidel: „Die CO₂-Abgabe wollen wir auch abschaffen. Vor allen Dingen wollen wir das Erneuerbare Energien Gesetz, das EEG, abschaffen, das uns bisher rund 500 Milliarden Euro gekostet hat. Das sind ungefähr so 20 Milliarden jährlich im Haushalt. Dann kommt noch dazu, dass das Netz ausgebaut werden muss – das sind nach Schätzungen von Instituten rund 460 Milliarden Euro. Da wären wir dann fast bei einer Billion Euro nur an Subventionszahlungen für unrentable erneuerbaren Energien. Wenn Sie das streichen, haben Sie das schon fast gegenfinanziert. Wenn Sie dann noch kein Bürgergeld und keine Sozialleistung mehr an ausländische Staatsbürger zahlen, die nie in unsere Kassen eingezahlt haben, dann kommen Sie auf ungefähr 135 Milliarden an Einsparungen, dann haben sie sogar noch Überschuss.“

Zu den Problemen im Land gehören die hohen Energiepreise. Sie wollen Windräder zumindest im Märchenwald in Hessen abreißen, Herr Höcke alle in Deutschland. Dann würden 30 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms fehlen …

Weidel: „Also zunächst einmal müssen die Übergänge vernünftig geplant werden. Sie können nicht immer die Hebel rumreißen, wie das Angela Merkel gemacht hat: völlig unseriös in die erneuerbaren Energien rein, Atomkraftwerk aus. Das Zielbild ist, dass wir das Energieangebot ausweiten. Wir stehen für Energieoffenheit, für Marktwirtschaft auch am Energiemarkt. Das heißt, dass sowohl Kernkraftwerke als Windkraft als auch Solarpanels vernünftig in einer Investitionsrechnung gerechnet werden können. Mehr wollen wir nicht.“

Trump, Putin oder Xi?

US-Präsident Donald Trump, Kreml-Bluthund Putin und Chinas kommunistischer Diktator Xi – wer steht Ihnen näher?

Weidel: „Haben Sie gerade Kreml-Bluthund gesagt?“

Ja. Ich lasse Ihnen Ihre Deutung, lassen Sie mir bitte meine …

Weidel: „Mit jedem brauchen wir ein Einverständnis der Großmächte. Und im Übrigen sind China und die USA unser größter und immer noch wichtigster Handelspartner. Wir werden nicht mehr ernst genommen. Und das völlige Versagen, das völlige Versagen von Führung und Leadership in Brüssel. Man nimmt uns gar nicht mehr ernst und das möchte ich persönlich so schnell wie möglich abstellen.“

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