“Elect a clown, expect a circus” steht auf dem Plakat in einem Mülleimer beim Lincoln Memorial in Washington DC. Aber Donald Trump ist kein Clown.
Clowns wollen, dass man über sie lacht. Trump will, dass man ihn fürchtet.
Und bewundert. Als Erlöser Amerikas – und der Welt. Auf einem Flyer trennt ihn nur ein roter Strich von Christus: „JESUS is my saviour, TRUMP WILL BE MY PRESIDENT“, steht darauf.
Der Glaube an Trump verbindet seine Anhänger. Der Weltverbesserer, der alles in “24 hours” lösen will.
Wird er zwar nicht, aber es hört sich für die Fans so gut an. Wie alle Superlative, die Trump auch an diesem Abend wieder präsentieren wird. Dem Tag vor der Amtseinführung. Der letzte Tag, an dem im Shop des National Museum of Natural History Joe Biden noch als Präsident von Postkarten lächelt. Sale.
Zuversicht und Euphorie weicht schleichend der Sorge
“Complex Brains for a Complex World” ist eine Schautafel in der Abteilung zur Menschheitsgeschichte überschrieben. Das hebe Menschen ab von Tieren. Kinder wandern zwischen Nachbildungen der Urmenschen umher. Auch draußen auf den Straßen wandern viele Kinder, mit Mützen: “Make America great again”. Ihre Eltern nehmen sie mit zur “Victory Rally” in der Capitol One Arena. Daran sollen sie sich ihr Leben lang erinnern.
Trump wird dort gegen 17 Uhr sprechen. Die Halle fasst aber nur 20.356 Platze. Viel mehr wollen Trump erleben. Um 10 Uhr sollte man sich anstellen, rät der Veranstalter. Viele ahnen es schon: Nur wer noch früher vor Ort ist, kommt rein. Die Temperaturen schwanken um den Gefrierpunkt. Erst nieselt es, dann Graupel und Schnee. Immer wieder, über Stunden. Die Schuhe werden durchtränkt. Und die Zuversicht und Euphorie Tausender weicht schleichend der Sorge, nicht in die Halle zu kommen.
Selbsternannte Aufpasser für die Menge
Die Warteschlange windet sich um etliche Blocks. Auch Björn, ein Deutscher, der seit 19 Jahren in Kentucky arbeitet, steht in der Schlange. Warum ist Trump für ihn so interessant, dass er mit dem Auto und kaum Schlaf durch den Schneesturm nach Washington gefahren ist? “Weil er eine magische Ausstrahlung hat, eine magische Art. Ich mag ihn unheimlich”. Björn hat seine Schwester dabei, die extra aus Deutschland angereist ist.
Von außen versuchen sich immer wieder Trump-Fans in die Republikaner-Schlange zu schummeln, werden ausgebuht, und weggeführt von einem selbsternannten Aufpasser in schwarzem Hoodie mit Amerikaflagge über den Schultern: “Let me see your ID!”
Wenn Trump redet, folgt eine Prophezeiung auf die nächste
Doch das System der Selbstkontrolle der Trump-Gemeinde kollabiert vor den Toren der Arena. Es hat sich herumgesprochen, die Kapazitätsgrenze der Halle sei fast erreicht. Anhänger hebeln die Metallabsperrungen aus. In mehreren Strömen pressen Hunderte Richtung Sicherheitskontrolle. Irgendwo dahinten. Einige schreien sich an. Es gibt kein Halten. Kurz vor dem Ziel pusht sich ein Amerikaner, der zwei Mützen übereinander trägt: “We made it, almost, nine hours later.”
Dann in der Halle der Stimmungswechsel: Verbrüderung. Wir sind die Gewinner. Die neue Elite, die die alte Elite hasst. Denen werden wir es zeigen. Der Mann eine Reihe weiter hinten ruft: “USA, USA.” Die Kurve geht mit. Zum Warm-up reden auch Familienmitglieder. Später darf auch Elon Musk als wahrscheinliches Kabinettsmitglied ein paar Sätze sagen.
Ein Sänger liefert schließlich das Musikbett für den großen Auftritt: Trump kommt plötzlich die enge Treppe hinunter, stoppt für Fotos, klatscht. Stadionatmosphäre, bis er redet. Es herrscht plötzlich fast Ruhe. Sie saugen jedes Wort auf. Eine Prophezeiung folgt dann der nächsten, diese peitschen die Menge wieder auf. Jubel. Kreischen.
Wokeness, Transgender, Migration – die Themen ziehen immer
Der größte Beifall brandet dann auf, als Trump ankündigt, die “Invasion der Grenzen” durch Migranten zu beenden oder Schluss zu machen mit “Wokeness”: Natürlich gebe es wegen seiner Äußerungen auch einen Waffenstillstand im Nahen Osten, er habe israelischen Geiseln zur Freiheit verholfen. Alles schon vor Amtsantritt. Er habe schon mehr vor Einzug ins Weiße Haus geschafft als Biden in seiner ganzen Amtszeit, lässt er die Halle und TV-Zuschauer glauben. Und er werde schon am ersten Tag als Präsident sehr vieles ändern, warum auch warten. Wieder Jubel.
Tausende Fabriken werde er zurück in die USA holen. Das Chaos im Mittleren Osten stoppen, sagt er nochmal. Auch einen Dritten Weltkrieg verhindern. “And you have no idea how close we are”, schürt er Angst. Leichtes Klatschen. Washington werde die schönste Hauptstadt der Welt. Dann Kritik an Transgender. Wieder großer Applaus. “We will keep men out of women sports.” Ab dem Tag der Amtsübernahme. Und: Nach Jahren, in denen man andere Länder geschützt habe, gehe es jetzt darum, das eigene Land zu schützen: “Our borders”.
Die Menge ist aufgeladen, voller Stolz
Und dann nochmal und nochmal die Botschaft, illegale Migration werde ein für alle Mal gestoppt: “We will not be invaded, we will not be occupied, will not be overrun.” Amerika werde eine freie und stolze Nation sein, ab Montag, 12 Uhr. “Diese Nation gehört Euch”, ruft Trump seinen Anhängern zu. “Wir werden Amerika wieder machtvoll machen.” Und natürlich “great”, sein alter Schlachtruf, der ihn zum zweiten Mal ins Weiße Haus verholfen hat.
Dann kommt die neubesetzte Band “Village People” auf die Bühne, singt “YMCA”. Trump schunkelt. Er geht von der Bühne, klatscht, drückt Hände. Was soll man von all den Versprechen halten? Seine Anhänger grübeln nicht. Sie sind aufgeladen, voller Selbstbewusstsein, voller Stolz Amerikaner zu sein. Eben die “beste Nation” der Welt, die über allem steht. Und die jetzt auf sich selber schaut.
Diese Gemeinschaft in der Arena soll das Land in eine frohe Zukunft tragen. Sie haben eine Art Heiland, fühlen sich als Gemeinde. Selbstverständlich nicht mit den Demokraten. Das Land ist tiefer gespalten denn je. Aber die Anti-Trump-Demos in Washington waren am Wochenende vergleichsweise mickrig. Die Macht hat sich verschoben. Trump, Trump, überall Trump. Es beginnen vier Jahre, die alles verändern sollen.
Zum Hintergrund: Das hat Trump in seiner zweiten Amtszeit vor
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